Babys haben von Anfang an eine eigene Sprache, mit der sie ihre Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf und Wohlsein kommunizieren.
Und genau so signalisieren sie von Geburt an, wann sie „mal müssen“.
Das Abhalten – eine uralte Reaktion auf Babys Ausscheidungsbedürfnis
Bevor es Windeln gab und auch heute noch in vielen Kulturen dieser Welt (z.B. Indien, Afrika, China) wuchsen und wachsen Babys auf, ohne je gewickelt zu werden.
Bei immerhin 70% der Babys weltweit ist es gängige Praxis, sie windelfrei großwerden zu lassen.
Was bedeutet „Abhalten“?
Beim Abhalten handelt es sich um eine intensivierte Kommunikation zwischen Baby und Eltern. Dabei gehen die Eltern auch auf die Signale ein, die das Ausscheidungsbedürfnis des Babys betreffen. Hiermit wird dem Baby gezeigt, dass es verstanden wird.
Signalisiert das Baby mit einem bestimmten Verhalten oder Laut, dass es mal muss, gibt man ihm die Gelegenheit, sein Geschäft frei an einem passenden Ort zu machen und so sauber zu bleiben.
Hierzu hält man z.B. mit beiden Händen das Baby unter dessen Oberschenkeln so fest, dass es mit seinem Rücken am eigenen Oberkörper anlehnt. Das Baby befindet sich dann in einer bequemen, gut gestützten Hockposition, in der es in Ruhe sein Geschäft (ob klein oder groß) verrichten kann.
Vorteile und Gründe des Abhaltens
Einer der wesentlichen Gründe fürs Abhalten ist, dass die Kommunikation zwischen Baby und Eltern damit allumfassend ist. Die Eltern gehen nicht nur auf die Bedürfnisse nach Nahrung, Wohlsein oder Schlaf ein, sondern beziehen auch das Ausscheidungsbedürfnis ganz natürlich in den Umgang mit dem Baby ein. Das führt auf beiden Seiten zu Entspannung und Zufriedenheit.
Außerdem spart es Kosten und Ressourcen. Der Babypo wird dabei auch geschont und ist trocken, sauber und kann atmen.
Hier sind nochmal die Vorteile im Überblick aufgelistet:
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- das Bedürfnis des Babys nach Sauberkeit wird ganz natürlich respektiert
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- eine ALLumfassende Kommunikation zwischen Eltern und Baby
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- das Baby fühlt sich verstanden, ist somit selbstbewusst und zufrieden
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- Schonung der Umwelt und der Ressourcen durch Reduktion von Windelmüll und -wäschen
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- enorme Kostenersparnis
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- die beste Prophylaxe gegen eine wunden Po
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- kein Kontakt der Harnröhre mit dem Stuhl, damit auch eine Prophylaxe gegen Harnwegsinfekte
- leichtes Säubern nach dem Stuhlgang
Woran erkenne ich, dass mein Baby „mal muss“?
Die Signale können natürlich von Baby zu Baby unterschiedlich sein. Wie bei der Babysprache behält das Baby die Signale des Ausscheidungsbedürfnisses bei, wenn es gelernt hat, dass seine Eltern darauf eingehen und sie verstehen. Werden die Anzeichen ignoriert, hört das Baby auch irgendwann auf, sich bemerkbar zu machen.
Signale für das Ausscheidungsbedürfnis können z.B. sein:
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- ein bestimmtes Quengeln oder Strampeln
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- häufiges An- und Abdocken beim Stillen
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- ein leerer, in die Ferne schweifender Blick
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- das getragene Baby versucht sich vom Arm oder aus der Trage heraus zu winden
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- das krabbelnde Baby kommt plötzlich angekrabbelt und möchte hochgenommen werden
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- veränderte Atemfrequenz
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- bestimmte Grunzlaute oder andere Töne
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- bei größeren Babys: sich in den Schritt greifen oder zum Töpfchen/Badezimmer krabbeln/laufen
- nächtliches Erwachen oder Wechsel in den leichten Schlaf, mitunter unruhiges Umherwälzen
Hilfreiche Tipps
Die Nieren eines Babys arbeiten meist vormittags auf Hochtouren, nachmittags weniger und nachts auf Sparflamme.
Außerdem müssen Babys oft in bestimmten Situationen (z.B. kurz nach dem Aufwachen, bei oder nach den Mahlzeiten, nach längerer Zeit im Tragetuch, nach der Autofahrt usw.).
Man kann zusätzlich z.B. beobachten, in welchen Zeitabständen (auch in Relation zu Aktionen wie z.B. Stillen) das Baby ausscheidet und dann versuchen, darin einen Rhythmus zu erkennen.
Das Baby kann ebenfalls lernen, sich gezielt zu entspannen und „es dann laufen zu lassen“, wenn ihm mit einem bestimmten Schlüssellaut (“Sch,Sch,Sch” oder “Pssss”) während des Abhaltens signalisiert wird, dass es sich jetzt frei entleeren kann.
Manchmal kommunizieren Babys auch mit uns, ohne dass uns dies unbedingt bewusst wird. Wenn man auf einmal intuitiv das Gefühl hat, dass das Baby mal muss, dann hält man es ganz einfach ab.
Zubehör?
Um ein Baby abzuhalten braucht man kein spezielles Zubehör. Hilfreich ist in jedem Fall leicht an- und ausziehbare Kleidung, die den Abhalteprozess vereinfachen. Falls das Baby Windeln trägt, sollten diese auch unkompliziert entfernt und angelegt werden können.
Ein kleines Töpfchen ist praktisch, wenn man das Baby z.B. nachts im Bett abhalten möchte oder irgendwo ist, wo es keine andere Möglichkeit gibt.
Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Abhalten
Über das Abhalten zu schreiben ist nun einerseits sehr einfach. Wie sieht aber die Praxis aus?
Ich konnte mir das Abhalten von meiner Freundin abschauen, die es mit ihrem kleinen Sohn gemacht hat. Ich habe diese Technik mit ihrer Hilfe kennengelernt und fand es erstaunlich, wie intuitiv sie ihn einfach immer mal wieder zur Seite zum Pipi machen nahm. Und fast jedes Mal kam auch was.
So habe ich das Abhalten mit meiner ersten Tochter von Anfang an praktiziert. Dadurch, dass wir sie immer dicht bei uns hatten, sie entweder im Tragetuch war oder neben uns lag, konnten wir stets ihre Signale lesen. Wir haben sie dann draußen im Grünen oder meist über eine kleine Schale abgehalten. Das klappte wirklich sehr gut.
Am Anfang war ihr Signal fürs Pipi-Machen ein sehr hoher Kreischton. Kurz bevor sie Pullern musste, hat sie außerdem immer sehr witzig ihre Nasenflügel nach außen bewegt und die Lippen etwas gespitzt.
Nachts – doch mit Windel
In den Nächten habe ich ihr jedoch ausschließlich eine “normale” Windel angezogen. Das hat mich einfach entspannt (für den Fall, dass doch mal was daneben geht) und ich konnte, vor allem als sie etwas älter war, leichter schlafen. Wenn ich nachts bemerkte, dass sie unruhig wird, weil sie Pipi machen muss, habe ich sie oft auch abgehalten, aber eigentlich nur ganz am Anfang. Später wurde einfach mein Schlafbedürfnis so groß und wichtig, dass ich es nicht mehr gemacht habe.
Das Abhalten auch loslassen können
Ich hatte teilweise das Gefühl, dass ich es oft auch sehr genau mit dem Abhalten nahm und ich manchmal sogar jedes kleine und große Geschäft am Tag aufgefangen habe. Aber irgendwie hat mich gerade das auch etwas unter Druck gesetzt. Es gab so etwas wie eine Erwartungshaltung in mir, die dann enttäuscht wurde, wenn es ein paar Mal hintereinander nicht funktionierte. Mit der Zeit konnte ich mich da aber auch wieder entspannen und es gelassener nehmen.
Sobald meine Tochter dann anfing zu krabbeln und sie selbständig ihre Umgebung entdeckte, ich meist auch noch etwas machte, wurde es mit dem Abhalten weniger. Wir benutzten dann größtenteils Stoffwindeln mit Wollüberhosen oder aber auch “normale” Windeln. Ich hatte sie von nun an einfach nicht mehr ständig körperlich nah bei mir, sodass wir Tage hatten, an denen es mit dem Abhalten gar nicht gelang.
Größtenteils haben wir sie dann nur noch in bestimmten Situationen abgehalten: z.B. nach dem Aufstehen, vor dem Mittagsschlaf und danach, bevor wir einen Ausflug machten, beim Wäsche wechseln usw. Inzwischen saß sie dann auch schon selbständig auf dem Topf.
Ich hatte nicht das Gefühl, dass meine erste Tochter durch das Abhalten schneller trocken wurde als andere Kleinkinder. Es hat uns allen aber einfach zu einer allumfassenden Kommunikation verholfen, die eben auch das Ausscheidungsbedürfnis mit einbezog.
Die zweite Runde – nochmal ganz neu
Bevor meine zweite Tochter geboren wurde, habe ich mich gefragt: “Ob ich sie nun auch abhalten werde? Schaffe ich das überhaupt?”
Durch die positiven Erfahrungen, die ich mit meiner ersten Tochter und dem Abhalten sammeln durfte, habe ich mich dazu entschlossen, es mit der Zweiten auch zu probieren. Als sie dann da war ging es quasi nicht, ihre Signale zu ignorieren. Ich wusste einfach, dass sie mir sagt, dass sie mal muss und es war mir ein Bedürfnis, darauf auch weiterhin so gut es geht einzugehen. Auch wenn ich manchmal zu müde oder zu erschöpft war.
Mit meiner zweiten Tochter konnte ich von Anfang an zum Glück viel entspannter umgehen. Es war auch vollkommen ok, wenn ich das Pipi gerade nicht aufgefangen habe. Sie hatte auch viel öfter eine Windel an, als ihre Schwester als Baby. Aber sie ist auch das zweite Kind und meine Aufmerksamkeit richtete sich nun auf zwei kleine zauberhafte Wesen.
Am Ende bleibt Gelassenheit
Ich bin für mich zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das mache, womit es mir gut geht und diese Haltung völlig wertfrei akzeptiere. Es ist weder gut noch schlecht, es ist einfach so. Davon profitiert mein Umfeld und ich selbst am meisten.
Das konnte an einem Tag so aussehen, dass ich meine zweite Tochter immer abhalte und sie komplett ohne Windel ist. Das kann aber auch so aussehen, dass sie den ganzen Tag eine Windel trägt, ich sie sporadisch abhalte oder eben auch mal nicht. Je nachdem, wie es für uns passt.
Liebe Josi,
toller Artikel. Ich bin zwar noch keine Mutter, habe aber schon viele Babies und Kinder gehütet. Ich finde es großartig, wie schön du über dieses Thema schreibst und wie sehr du uns an deinen Erfahrungen teil haben lässt. Mach bitte weiter so.
Viele Grüße
Melanie